Das gleiche Porträt ist ebenfalls am 26. Juni 2010 im «Bund» erschienen unter den Titel: Sie provoziert Gottes Urteil mit glühender Kohle»

Margrit Meier war Vizedirektorin des Staatssekretariats für Bildung und Forschung. Heute leitet sie die Vereinigung für Parapsychologie und bietet eine vierjährige Meditationbsausbildung an.

Ein Porträt von Michael Meier

Jede neue Jahreszeit fängt Margrit Meier mit Feuerlaufen an. Und jedes Mal hat sie das Gefühl von riesiger Dankbarkeit, wenn sie nach dem Lauf über die heisse Kohle heil und unversehrt geblieben ist. Das hinduistische und indianische Ritual führt sie jeweils mit 20 bis 30 Leuten im Könizberg-Wald durch, unweit ihres Reihenhauses, das sie mit zwei Freundinnen und vier Katzen bewohnt. Feuerlaufen sei ein Bedürfnis gerade von Leuten, die glaubten, dass sie im Leben nicht weiter kämen und dass endlich etwas passieren müsse. «Haben sie ihre Angst einmal überwunden und sind sie unverletzt über die Kohle gegangen, ist das für viele wie ein Gottesurteil: Wenn ich das geschafft habe, dann schaffe ich auch eine Wende in meinem Leben».

In frühere Leben rückführen

Margrit Meier ist Präsidentin der Schweizerischen Vereinigung für Parapsychologie. Die «Meditation mit Feuer» ist nur eine Sparte in ihrem Ritual-Repertoire. Sie liest Tarot-Karten, als Bilderbuch von archetypischen Figuren. Sie hat sich in frühere Leben rückführen lassen. Und war, nach dem Tod von Osho, mehrere Male in Poona. Er ist für sie eine Jahrhundert-Figur: «Er hat alle Programmierungen der Leute aufgeweicht, alle Ideologien zertrümmert».

Dennoch hat die 64-jährige mit dem kommerziellen Eso-Markt nichts am Hut. Als sie neulich mit Religionswissenschaftler Georg Schmid die Dialogreihe «Neumond / Vollmond» bestritt, kamen zur Schlussveranstaltung mit dem Hellseher Mike Shiva 440 Leute. «Er bedient die Bedürfnisse der Leute und macht mit der Sinnsuche ein Geschäft». Das sei nicht ihre Wellenlänge, sagt sie dezidiert.

Dafür ist die studierte Wirtschafts- und Staatsrechtlerin auch viel zu vernünftig. Vor der Pensionierung war Margrit Meier Vizedirektorin im Staatsekretariat für Bildung und Forschung. Sie hatte das Ressort Bildung unter sich und kümmerte sich neben der Eidgenössischen Maturität und die Bundesförderung der zehn kantonalen Universitäten. Im Staatsekretariat habe man wohl von ihren spirituellen Neigungen gewusst. Sie habe aber nicht damit missioniert und nie Mitarbeiter zum Feuerlaufen animiert. «Gerade in einer Vorgesetztenposition darf man das nicht, das wäre Indoktrination».

Eine Patchwork-Christin

Meier ist reformiert aufgewachsen. Nach der Konfirmation «war Schluss mit der Kirche». Ausgetreten ist sie dennoch nicht und entdeckte Jahre später Jesus Christus als eine Kraft. «Er ist die wichtigste Figur, die es gibt». Wer an Jesus Christus glaube, müsse Buddha oder Krishna keineswegs ausschliessen. «Mein Weltbild lässt vieles zu», sagt die Patchwork-Christin, die nicht beliebig sein will. Ihr Himmel sei offen. Offen für andere Heilslehren. «Religionen arbeiten mit Mythen. Nimmt man diese all zu ernst und wörtlich, wird es schwierig.» So hindert sie ihre Anhänglichkeit an die Kirche nicht an anderen spirituellen Wegen.

Für sie ist es kein Gegensatz, als Kirchenmitglied die Vereinigung für Parapsychologie zu präsidieren. Wie sie selber seien Dreiviertel der Mitglieder überzeugte Christen. Die Parapsychologie sei ein Instrument, paranormale Phänomene wissenschaftlich anzugehen. Die Kirche, sagt sie, habe sich mit dem materialistischen Weltbild arrangiert. Während die Naturwissenschaft behaupte, ein Leben nach dem Tod könne man nicht beweisen, sage die Kirche, man müsse daran glauben. Die Parapsychologie indessen versuche mit Untersuchungen etwa im Bereich der Unfalltoten Aussagen über die Reinkarnation zu machen. Den Glauben an die Reinkarnation dürfe man nicht verabsolutieren, sonst komme man nie aus dem Rad der Widergeburt heraus. Meier hofft auf die Hand des christlichen Gottes, die Gnade, die einem aus der Tragik der fortwährenden Wiedergeburt herauszieht.

Jenseits des Verstandes

Sie vertritt eine mittlere Position zwischen dem (reformatorischen) Christentum, demzufolge man nichts für seine Erlösung tun kann und dem Yogaweg, wo man auf dem Nagelbett liegend mit Selbstkasteiung und Askese seine Erlösung erwirkt.

Im Zentrum von Margrit Meiers spirituellem Leben steht die Meditation: Diese habe nichts zu tun mit Parapsychologie, auch nicht mit Esoterik und Kommerz. In der Meditation gehe es vielmehr um das Innenleben der Religionen, um das, «was uns präsent sein lässt im Moment und uns über den Verstand hinausführt». In der Meditation habe auch das Gebet Platz, die Mystik. Über Rudolf Steiner war sie vor 40 Jahren zur Einsicht gelangt, dass es jenseits des Verstandes eine Welt gibt, zu der man nur über die Meditation Zugang hat. Sie nennt diese Welt oberhalb des Verstandes, die sich eigentlich nicht über Worte und Bilder definieren lässt, «die vierte Dimension», «Leere» oder «Stille». «Sie ist wie eine wunderschöne Musik, ein Sonnenaufgang».

Absage an Gurus

Mit einer vierjährigen Meditationsausbildung erfüllt sich Meier jetzt einen Traum und gibt sich eine neue Lebensaufgabe. Vermittelt von verschiedenen Lehrern, macht diese interreligiöse Ausbildung mit den mystischen Strömungen der Weltreligionen vertraut, weist in Meditationspraktiken und psychologische Selbsterfahrung ein. 45 Leute absolvieren diesen zertifizierten Lehrgang. Was aber legitimiert die Wirtschaftswissenschaftlerin, ihren Schülern ein Zertifikat auszuhändigen? «Mein Lebensweg, meine Erfahrung. Ich meditiere seit 40 Jahren, setzte mich immer wieder Neuem aus und stelle mich in Frage». Das ist auch eine Absage an jedes Gurutum. Sie wolle eh nicht die Welt, sondern nur sich selber verändern.